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FASD - Fetale Alkohol-Spektrum-Störung
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FASD - Die Fetale Alkohol-Spektrum-Störung
Was ist FASD?
FASD steht für Fetal Alcohol Spectrum Disorder (deutsch: Fetale Alkoholspektrumstörung) und bezeichnet das breite Spektrum kindlicher Schädigungen, die durch Alkoholkonsum in der Schwangerschaft verursacht wurden. Diese Beeinträchtigungen können die körperliche, organische und/oder psychische Entwicklung der Kinder betreffen. Die Diagnostik wird oftmals mithilfe der S3-Leitlinie (Empfehlungen, die auf sehr verlässlichen und aufwendig zu erstellenden Anforderungen basieren) durchgeführt. Dabei werden Auffälligkeiten, die das Gesicht, den Wachstum oder das zentrale Nervensystem betreffen sowie der Alkoholkonsum der schwangeren Person (intrauterine Alkoholexposition), betrachtet und untersucht.
Unterschieden wird zwischen:
- dem Vollbild Fetales Alkoholsyndrom (FAS),
- dem partiellen FAS (pFAS) und
- den Alcohol-Related Neurodevelopmental Disorders (ARND)
FAS gilt als ausgeprägteste Form Fetaler Alkoholspektrumstörungen und ist das körperliche Vollbild des fetalen Alkoholsyndroms. Das heißt, dass die Kinder Auffälligkeiten in drei Bereichen aufweisen: im Wachstum, im Bereich des Gesichts und im zentralen Nervensystem. In diesen Fällen bedarf es keiner Bestätigung des Alkoholkonsums während der Schwangerschaft.
Beim partiellen FAS (pFAS) sind drei der Diagnosekriterien erfüllt. Auffälligkeiten im Gesicht sowie im zentralen Nervensystem sind vorhanden, zudem muss eine bestätigte oder wahrscheinliche Alkoholexposition bestehen.
Bei der ARND (alkoholbedingte entwicklungsneurologische Störungen) haben die Betroffenen Auffälligkeiten im Bereich des Zentralen Nervensystems, aber keine äußerlich sichtbaren Merkmale. Für diese Diagnose ist eine bestätigte intrauterine Alkoholexposition von Nöten.
Weil die Symptome so vielseitig sind und das Störungsbild noch relativ unbekannt ist, bekommen viele Betroffene nie oder erst sehr spät eine FASD-Diagnose. Aus diesem Grund bekommen diese Menschen nicht die notwendige Behandlung und Unterstützung, die sie benötigen.
Was verursacht Alkohol in der Schwangerschaft beim ungeborenen Kind?
Alkohol ist ein Zellgift und erreicht unmittelbar den Blutkreislauf des Kindes. Die Entwicklung des Ungeborenen wird gestört und es kann zu Fehlbildungen kommen. Wenn eine schwangere Person Alkohol trinkt, kann das schon bei kleinsten Mengen zu lebenslangen Beeinträchtigungen beim Kind führen.
Häufigkeit und Relevanz:
- In Deutschland wird jedes Jahr schätzungsweise mehr als 10.000 Kinder mit alkoholbedingten Schädigungen geboren – FASD ist damit die häufigste nicht-genetische angeborene Behinderung.
- Etwa 1–2 % der Neugeborenen sind betroffen; die Dunkelziffer wird als deutlich höher eingeschätzt.
Kann man FASD erkennen?
Die Diagnose von FASD ist herausfordernd:
- Die Symptome variieren stark – nicht jedes Kind zeigt typische körperliche Merkmale wie beim Vollbild FAS. Bei pFAS oder ARND können viele Anzeichen fehlen, obwohl neurologische Beeinträchtigungen vorhanden sind.
- Viele Diagnosen erfolgen erst im Grundschulalter, wenn sich Lern- und Verhaltensauffälligkeiten zeigen – wodurch wertvolle frühe Förderchancen oft verloren gehen.
Welche Symptome haben Betroffene mit FASD?
Körperlich:
- Vor- und nachgeburtliche Wachstumsstörungen, kleiner Kopfumfang
- Charakteristische Gesichtsmerkmale (z. B. schmale Lidachsen, flache Oberlippe, hypoplastisches Philtrum) sind bei FAS sichtbar, aber meist nicht bei pFAS oder ARND
- Organische Beeinträchtigungen wie Herzfehler oder Hör- und Nierenprobleme möglich
Kognitive und neurologische Störungen:
- Beeinträchtigung der Exekutivfunktionen – z. B. Planungsfähigkeit, Aufmerksamkeit, Impulskontrolle, Verarbeitung von Zeit
- Lernschwierigkeiten, oft trotz normalem IQ – besonders in Bezug auf Informationsverarbeitung, Kurzzeitgedächtnis, Transfer von Wissen in neue Kontexte
- Leistungen können stark schwanken: Gelerntes ist manchmal da, dann wieder vergessen – je nach Tagesform
Verhalten und emotional-soziale Merkmale:
- Impulsivität, Hyperaktivität, emotionale Ausbrüche, Stressanfälligkeit
- Mannigfaltige soziale Auffälligkeiten: inkonsistentes Verhalten, fehlende Empathie, Probleme mit sozialen Signalen, unangemessenes Verhalten
- Häufig ausgeprägte verbale Fähigkeiten, aber eingeschränkte Alltagskompetenz – „sie wollen, können aber nicht“
Begleiterkrankungen:
- Hohe Rate an Komorbiditäten wie ADHS, Angststörungen, Schlafprobleme
Lebenslange Wirkung:
- FASD ist nicht heilbar; viele Betroffene benötigen über die gesamte Lebensspanne intensive Begleitung (manche „brauchen noch mit 50 Begleitung“)
- Der Alltag ist oft eine permanente Herausforderung: Wiederholtes Erklären selbst einfacher Dinge – geistige Leistungsfähigkeit ist nicht gleich Alltagsumsetzung
Wie kann ich im Arbeitsalltag mit Betroffenen umgehen?
1. Wissen und Sensibilität stärken
- Nutzen Sie Materialien wie den Schulflyer von FASD Deutschland e. V., der speziell für Lehrkräfte entwickelt wurde. Er unterstützt bei der Einschätzung – jenseits vom IQ.
- FASD Deutschland bietet zudem digitale Ausstellungen, Online-Themenabende, Broschüren und Fachtagungen für pädagogische Fachkräfte.
2. Individuelle Einschätzung und angepasste Erwartungen
- IQ ist kein verlässlicher Maßstab; Leistungszuwächse sind wertvoll, aber keine Routine.
- Oppositionelles Verhalten ist oft Ausdruck von Überforderung – nicht absichtliches Fehlverhalten.
3. Struktur und Visualisierung
- Klare, visuelle Tagesroutinen (Bilder, Karten) geben Orientierung bei Vergesslichkeit und Überforderung.
- Einfache, klar formulierte Regeln, regelmäßige Wiederholungen; unmittelbar loben, konkret verknüpfen.
4. Kooperation mit Angehörigen
- Pflegen Sie regelmäßigen Austausch über Kommunikationsmittel wie Mitteilungsheft, wöchentliche Telefonate oder monatliche Treffen.
- Fragen Sie Eltern, was zu Hause funktioniert oder nicht – übernehmen Sie hilfreiche Methoden direkt in den institutionellen Alltag.
5. Empathische Haltung und Geduld
- Anerkennen Sie die Anstrengung; strikte Disziplin ohne Verständnis kann kontraproduktiv sein.
- Respekt gegenüber Bezugspersonen stärkt Vertrauen – kein Schuldzuweisungen.
6. Langfristige Begleitung
- Junge Menschen mit FASD brauchen mehr Reifezeit, vertrauensvolle Bezugspersonen, Ermutigung, Scheitern erlauben und Stärken fördern.
- Individuell begleitete Übergänge in Ausbildung oder Arbeit ermöglichen Selbstvertrauen und Entwicklung.
7. Professionelle Beratung nutzen
- In Hannover bietet die FASD-Beratungsstelle „aufgeklärt“ bei den Johannitern spezialisierte, kostenlose Beratung für Betroffene, Angehörige und Fachkräfte (auch anonym möglich).
- Leistungen umfassen Beratung zu medizinischer Versorgung, sozialrechtlichem Anspruch, Bildung, Tagesstruktur, Freizeitgestaltung sowie Unterstützung bei Behördengängen.
- Es werden auch Selbsthilfegruppen (z. B. für Pflege- und Adoptiveltern) angeboten, monatlich in Hannover-Linden.
- Die Beratungsstelle leistet zudem öffentlichkeitswirksame Aufklärungsarbeit (z. B. Kunstaktionen in Stadtbild, Flyer etc.).
Fazit für pädagogische Fachkräfte
FASD stellt eine der häufigsten, aber oft übersehenen Behinderungen dar. Die Diagnose ist komplex, Symptome vielfältig und individuell verschieden. Für eine gelungene pädagogische Interaktion sind Sensibilität, Wissen, klar strukturierte Routine, enge Zusammenarbeit mit Angehörigen und externe Unterstützung essenziell. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Förderung von Exekutivfunktionen, gelassener Reaktion auf Überforderung und langfristiger Begleitung.
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